Das sind die Gründe für das Kliniksterben
Anfang Juli präsentierten Bund und Länder die Eckpunkte der Krankenhausreform. Schon damals wurde kritisiert, dass viele Fragen unbeantwortet blieben. Doch eines war bereits im Sommer gewiss: Zahlreiche Kliniken werden das Inkrafttreten der Reform nicht mehr erleben. Ein Massensterben von Krankenhäusern droht. Einige Einrichtungen hat es bereits in diesem Jahr erwischt. Wir haben die Gründe der Schließungen analysiert. Eine Leichenschau.
1. Verschmelzung: Aus Zwei mach Eins
Knapp 14 km trennen Jülich und Linnich. Die dort ansässigen Krankenhäuser bildeten die Katholischen Nord-Kreis-Kliniken (KNK) und schrieben seit Jahren rote Zahlen. Im November 2022 musste der Träger, die Kölner Josefs-Gesellschaft, beim Amtsgericht Aachen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz beantragen.
Beide Krankenhäuser wurden mittlerweile zu einem verschmolzen. Während das Linnicher St. Joseph Krankenhaus im März schließen musste, besteht das St. Elisabeth Krankenhaus weiter. Träger ist nun die Stadt Jülich, die die Klinik in „Krankenhaus Jülich“ umbenannte. Waren in beiden KNK-Häusern ca. 560 Mitarbeiter beschäftigt, sind in Jülich nun 450 Mitarbeitende tätig.
2. Umwandlung: Gesundheitszentren ersetzen Krankenhäuser
Das 163 Jahre alte Marienhospital in Ankum-Bersenbrück ist tot. Das klassische Grundversorgungs-Krankenhaus wurde Anfang April umgewandelt und ist nun Niedersachsens erstes Regionales Gesundheitszentrum (RGZ). Die Zahl der Betten verringerte sich von 115 auf 15, die Zahl der Beschäftigten sank von 360 auf 125. Es gibt keine Intensivstation mehr, keine 24/7-Notfallversorgung. Kinder werden auch nicht mehr in Ankum-Bersenbrück zur Welt gebracht, die Geburtshilfe ist ins 20 km entfernte Quakenbrück verschwunden.
Immerhin bewahrt das RGZ die niedersächsische Kommune vor dem Sturz ins medizinische Nichts. Für einfache Dinge wie die Behandlung von Brüchen oder eine Blinddarmentfernung ist das RGZ nach wie vor da. Und wer einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hat, wird zumindest erstversorgt.
3. Wirtschaftliche Gründe: Es herrscht Alarmstufe ROT
Die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser ist angespannt – nur 24 % haben im letzten Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Und die Aussichten für die kommenden Jahre sind düster.
„Krankenhäuser brauchen eine verlässliche Sicherheit. Wenn jetzt politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgung“
Astrid Duda, Geschäftsführerin im Berliner Sankt-Gertrauden Krankenhaus
„Krankenhäuser brauchen eine verlässliche Sicherheit. Wenn jetzt politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgung“, warnt Astrid Duda. Sie ist Geschäftsführerin im Berliner Sankt-Gertrauden Krankenhaus, das sich am 20. Juni am bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ beteiligt hat. „Wir haben uns dem Protest und dem Aktionstag angeschlossen, weil wir endlich wieder Verlässlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken benötigen.“
Für das Evangelische Stadtkrankenhaus in Saarbrücken kommt jede Hilfe zu spät. Ende März wurde das Krankenhaus geschlossen. Die Kreuznacher Diakonie, Träger des Hauses, hatte diesen Schritt bereits im vergangenen Herbst angekündigt: „Der Entschluss zur Schließung des Hauses fällt uns nicht leicht. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage sehen wir uns allerdings gezwungen, diesen Schritt zu gehen“, hieß es in einer Mitteilung. Über Jahre hatte das Krankenhaus ein Defizit in Millionenhöhe angehäuft. 160 Pflegekräfte mussten sich eine neue Arbeitsstelle suchen.
4. Ärztemangel: Nicht nur Hausärzte fehlen
Dr. med. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, ist eine Freundin klarer Worte: „Uns werden die Ärzte ausgehen“, mahnte sie im letzten Jahr auf dem 126. Deutschen Ärztetag in Bremen. „Es besteht ein enormer Handlungsbedarf.“
Dass Hausärzte vor allem auf dem Land fehlen, ist allgemein bekannt. Mehr und mehr erreicht die Problematik aber auch die bundesdeutschen Krankenhäuser und Kliniken. So schloss das Kreiskrankenhaus Weißwasser im April die Kinder- und Jugendstation. Als die Chefärztin das Krankenhaus verließ, konnte die Stelle trotz großer Bemühungen nicht nachbesetzt werden. Da man zudem Probleme hatte, neue Fachärzte zu gewinnen, war die Schließung der Station alternativlos.
Ebenfalls im April wurde das Aus der Ubbo-Emmius-Klinik in Norden verkündet. „Der Betrieb des Klinikums als somatischer Grund- und Regelversorger ist aufgrund der nicht mehr zu besetzenden Stellen im ärztlichen Dienst nur noch zeitlich befristet aufrechtzuerhalten“, teilte der Träger ANEVita in einer Pressemitteilung mit. Das Krankenhaus soll nun in ein Regionales Gesundheitszentrum umgewandelt werden.
5. Pflegekräftemangel: Hauptsächlicher Grund für Klinikschließungen
Den Krankenhäusern und Kliniken steht das Wasser bis zum Hals. Der Hauptgrund für die in diesem Jahr erfolgten Schließungen ist aber ein anderer: der Pflegekräftemangel. Er sorgte sowohl für das Aus des St. Josef Krankenhauses in Adenau wie auch des Hegau-Bodensee-Klinikums in Radolfzell – hier konnte man, weil Pflegekräfte fehlten, nur noch etwa die Hälfte der rund 150 Betten belegen.
In Annweiler ereilte das Klinikum Landau Südliche Weinstraße die Schließung, auch die ANregiomed Klinik in Rothenburg gibt es nicht mehr. Und im KMG-Klinikum Sömmerda musste die Kinderklinik wegen Personalmangel in Verbindung mit zu hohem Krankenstand geschlossen werden.
„Ein hoher Krankenstand, kaum Nachwuchs, immer mehr offene Stellen, und alle Last ruht auf den Schultern der verbleibenden Kräfte. Die Folgen sind chronisch überlastete Mitarbeitende, die den Krankenstand weiter erhöhen – ein Teufelskreis.“
Martin Recht, CEO Personal Hospital
„Ein hoher Krankenstand, kaum Nachwuchs, immer mehr offene Stellen, und alle Last ruht auf den Schultern der verbleibenden Kräfte. Die Folgen sind chronisch überlastete Mitarbeitende, die den Krankenstand weiter erhöhen – ein Teufelskreis“, weiß Martin Recht. Der 36-jährige ist CEO von Personal Hospital, eine der führenden Personalberatungen für das Recruiting von Mitarbeitern im Gesundheitswesen.
Im Februar hat sein Unternehmen die Schließung der Paracelsus-Klinik in Bad Ems untersucht. Zum Verhängnis wurde der Klinik, dass ihre Recruiting-Maßnahmen primär auf aktiv suchende Bewerber abzielten. Diese machen jedoch gerade einmal 10 bis 15 Prozent des Bewerberpools aus, weiß der Experte aus seiner über 10-jährigen Beratertätigkeit. Fachkräfte, die für ein Stellenangebot offen gewesen wären, aber nicht aktiv suchten, hatte man in Bad Ems nicht im Blick.
Einen Tipp gibt der Unternehmer allen Personalverantwortlichen im Gesundheitswesen mit auf den Weg: „Da wo Krankenhäuser und Kliniken schließen müssen, wird Personal frei. Kümmern Sie sich rechtzeitig darum, diese Personen direkt anzusprechen und präsentieren Sie sich ihnen als attraktiver Arbeitgeber.“
Fazit: Deutschlands Krankenhäuser auf der Intensivstation – und einige bereits im Grab
Häufig führen mehrere Gründe zur Schließung eines Krankenhauses oder einer Klinik. Inwieweit die angekündigte Krankenhausreform die Finanzlage im Gesundheitswesen verbessern wird, ist noch nicht absehbar.
Eine Schließung aufgrund von Fachkräftemangel ist unnötig. Stellen Sie Ihre Recruiting-Strategie auf den Prüfstand und lassen Sie sie von neutraler Seite aus analysieren.
Jörg Mielczarek
Chefredakteur
Mit dem Pflegemarkt Report verfolgen ich und mein Team das Ziel, den Pflegenotstand in Deutschland sichtbar zu machen. Aktuelles, Erfahrungsberichte und Trends sollen Entscheidern dabei helfen, ihre Personalgewinnung zu stärken.
Darüber hinaus schlägt mein Herz für die Literatur der Weimarer Republik und meinen Heimatverein Rot-Weiß Ahlen.
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